Grußwort | Prof. Dr. Martin Kaufhold

Der franziskanische Aufbruch in eine neue Zeit

Prof. Dr. Martin Kaufhold
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Prof. Dr. Martin Kaufhold
Historischer Wandel beginnt oft unspektakulär. Als die ersten Franziskaner vor 800 Jahren Augsburg erreichten - hungrig, neugierig, auch besorgt -, begann ein neues Kapitel in der Geschichte Europas. Die Franziskaner waren eine neue Bewegung, die schon bald die städtische Jugend in ganz Europa faszinieren sollte. Ein einfaches Leben nach dem Vorbild des Evangeliums war ihr Programm. Damit trafen die Franziskaner einen Nerv der Zeit. Sehr viele Menschen schlossen sich ihnen an oder unterstützten sie. In vielen mittleren und allen großen Städten entstanden schon bald franziskanische Kirchen und Konvente, gebaut mit Spenden aus der Bevölkerung.



Die Franziskaner waren nicht ortsfest, sie zogen umher, von Konvent zu Konvent. Von Augsburg nach Köln, von Paris nach Erfurt, und immer wieder nach Assisi, nach Italien. Es entstand ein barfüßiges Netzwerk bewegter und mitunter brillianter Geister. Die Franziskaner transportierten Vorbilder und Ideen, sie stritten über das richtige Leben, inspirierten viele Menschen, und sorgten auch für Widerspruch.

Ihr Eifer war nicht frei von Zumutungen. Die franziskanische Bewegung – wie ihre dominikanischen Brüder und Konkurrenten – brachte den Anspruch eines authentischen christlichen Lebens in die städtische Welt. Es war eine Welt im Aufbruch, und die Franziskaner erhoben diesen Aufbruch zu ihrem Programm.

In Augsburg formulierten die franziskanischen Brüder in der Generation nach ihrer Ankunft das mittelalterliche Stadtrecht, die einfachen Handwerker hielten ihre Zusammenkünfte bei den Franziskanern, aber auch wohlhabende Bürger und Domherren kamen zu ihnen. Für die werdende Stadtgesellschaft waren sie unverzichtbar. Sie bauten Brücken. In Augsburg und in vielen Städten, in die sie von Augsburg aus weiterzogen.

Prof. Dr. Martin Kaufhold ist Inhaber des Lehrstuhls für Mittelalterliche Geschichte,
Philologisch-Historische Fakultät Universität Augsburg

Im Interview mit dem Evangelischen Sonntagsblatt spricht Prof. Dr. Kaufhold über Franz von Assisi und seinen Anspruch, der oft zu einem "Zusammenspiel voller Zumutungen" wurde.